Die EU-Kommission fordert den vollen Mehrwertsteuersatz für den Handel mit Kunstgegenständen. Die ermäßigte Mehrwertsteuer für Kunst und Kulturprodukte sowie die öffentliche Kulturförderung bilden zwei zentrale Säulen unseres Kulturstaates. Sie gilt es zu verteidigen.
von Wolfgang Thierse
Angriff auf die öffentliche Unterstützung von Kultur
Fällt die ermäßigte Mehrwertsteuer für den Kunsthandel, werden wahrscheinlich weniger Kunstwerke verkauft. Das beträfe vor allem bildende Künstlerinnen und Künstler und viele kleine Kunsthandlungen und Galerien – und damit jene, die ohnehin kaum von ihrer Arbeit leben können. Natürlich besitzen Galerien einen kommerziellen Kern. Doch liegt ihre Existenz gleichzeitig im öffentlichen Interesse: Auf ihren Beitrag zur Förderung junger künstlerischer Nachwuchstalente können wir nicht verzichten. Auch Museen wären betroffen. Mit schon jetzt geringen Ankaufetats können sie ihrem Sammlungsauftrag immer weniger nachkommen.
Wir Kulturpolitiker müssen uns also um das aktuelle Problem des Wegfalls der ermäßigten Mehrwertsteuer für den Kunsthandel kümmern – auch weil die Gefahr besteht, dass dies erst der Anfang eines generellen Angriffes auf eine nicht wegzudenkende öffentliche Unterstützung von Kunst und Kultur ist.
SPD für Erhalt der ermäßigten Mehrwertsteuer
Hintergrund für die geplante Aufhebung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ist ein Vertragsverletzungsverfahren, das die EU-Kommission gegen Deutschland eingeleitet hat. Die EU-Kommission vertritt die Auffassung, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz für den Kunsthandel in Deutschland in seiner jetzigen Form europäischem Recht zuwider läuft. Die Bundesregierung teilt diese Einschätzung und plant eine Änderung des deutschen Steuergesetzes zum 1. Januar 2013.
Frühzeitig haben sich die SPD-Bundestagsfraktion und auch der Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestages mit seiner fraktionsübergreifenden Erklärung vom 7. März für den Erhalt des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für den Kunsthandel ausgesprochen und die Bundesregierung aufgefordert, die Möglichkeiten dafür genauestens zu prüfen.
Frühzeitig Kompensations-Modelle diskutieren
Inzwischen lässt sich wohl nicht mehr verhindern, dass 2013 die ermäßigte Mehrwertsteuer für den Kunsthandel wegfällt. Umso mehr muss die Bundesregierung rasch gangbare Lösungen aufzeigen, mit denen sich unerwünschte Folgen der Gesetzesänderung abfedern lassen. Verschiedene Modelle der Kompensation stehen zur Debatte. Nach dem Vorbild Frankreichs könnte eine pauschalierte Differenzbesteuerung mit einer festen Marge eingeführt werden. Auch eine Erhöhung des Bundeszuschusses für die Beiträge zur Künstlersozialversicherung ist im Gespräch.
Die Bundesregierung und besonders der Staatsminister für Kultur und Medien sind in der Pflicht, alle Vorschläge zur Kompensation genauestens zu prüfen. Akzeptabel kann nur eine Regelung sein, die zielgenau angelegt ist und die tatsächlich Betroffenen in angemessenem Umfang entlastet. Damit nicht auch an dieser Stelle Kulturabbau droht!
(Der Beitrag von Wolfgang Thierse erschien zunächst auf www.kulturundpolitik.de.)