Von Jan Almstedt
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sieht die Politik vor großen Aufgaben. Die Epoche des Marktradikalismus sei am Ende, „wir müssen die soziale Marktwirtschaft zurückerobern“. Und der Umgang der Bundeskanzlerin mit der Eurokrise sei ein „Turbolader für Politikverdrossenheit“.
Zu spät und nicht ausreichend: So bewertet der SPD-Vorsitzende die jüngsten Beschlüsse der europäischen Staats- und Regierungschefs. Mitte der Woche hatten sie auf ihrem Gipfeltreffen eine Stärkung des Euro-Rettungsschirms beschlossen, einen Schuldenschnitt und die Rekapitalisierung der Banken.
„Damit wurde das Schlimmste in letzte Sekunde verhindert, aber weil so lange gezaudert und gezögert wurde, ist die Lage in Europa viel instabiler als vor einem Jahr. Und vor allem ist alles viel teurer geworden“, kritisiert Gabriel im Interview mit der Saarbrücker Zeitung (Samstag). Nun müssten die deutschen Steuerzahler den Preis bezahlen für die „Hinhaltetaktik von Frau Merkel ihren konservativen Kollegen“.
Die SPD hatte bereits vor über einem Jahr unter anderem den Schuldenschnitt für Griechenland gefordert. Dass dies nun beschlossen ist, sieht Gabriel zwar als dringend notwendig aber nicht als ausreichend an, um das Land wieder auf eine Wachstumspfad zu bringen. Seit Monaten schon fordert er ein Konjunkturprogramm insbesondere für Südeuropa. Und: „Es fehlen außerdem noch immer die Regulierung der Finanzmärkte und die Finanztransaktionssteuer – die brauchen wir dringend, um die Mit-Verursacher an den Kosten der Krise zu beteiligen“, bekräftigt der SPD-Chef.
Über die Bewältigung der Euro-Krise hinaus steht nach Überzeugung Gabriels der Politik die eigentliche Herausforderung erst noch bevor. Die von FDP und großen Teilen der Union vorangetriebene „Epoche des Marktradikalismus“ gehe zu Ende. Denn sie erweise sich zunehmend nicht nur als Gefahr für Wirtschaft und Arbeitsplätze, „sondern inzwischen sogar für die Demokratie selbst. Leistung, stellt der SPD-Chef fest, „lohnt sich nicht mehr, Respekt, Anstand Fairness, all das ist zerstört worden“.
Darum, so Gabriel, gehe jetzt darum, „den Kapitalismus zum zweiten Mal zu bändigen“. Die neue soziale Frage laute: „Demokratie oder Finanzherrschaft.“